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Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Kundenmagazin nah klar.

Die historische Rübelandbahn wird wieder regelmäßig mit Dampfloks befahren. Tausende Fahrgäste genießen jedes Jahr auf der einmalig steilen Strecke die beeindruckenden Ausblicke in die Harz-Landschaft. Für den reibungslosen Ablauf des Fahrplans sorgt ein Enthusiast in Blankenburg: Bahnhofsbesitzer Stephan Nickell.

Die Fahrt der Bergkönigin

An einem Freitagmittag dampft und zischt und raucht es gewaltig neben dem alten Lokschuppen unweit des Bahnhofs von Blankenburg (Harz). Kollegen der Traditionsgemeinschaft 503708-0 heizen in dem beschaulichen Harzort eine historische Dampflok an, zuerst mit Holz, später mit Kohle: die 95027, die sie hier liebevoll die Bergkönigin nennen, rund 120 Tonnen schwer, rund 16 Meter lang und trotzdem bis zu 65 Stundenkilometer schnell.

Jeden Monat bricht die Bergkönigin an einem Wochenende auf ihrer angestammten Heimatstrecke – der bald 140 Jahre alten Rübelandbahn – zu dampfenden Fahrten von Blankenburg nach Rübeland auf, zu besonderen Anlässen sogar bis nach Halberstadt. Die beeindruckende historische Bahnstrecke gilt als steilste Zugetappe zwischen Hamburg und München, und die 100 Jahre alte Tenderlok wurde speziell als Steilstreckenfahrzeug für solche Aufstiege gebaut. Von fünf noch erhaltenen Loks ihrer Art in Deutschland ist sie die letzte, die überhaupt noch betriebsfähig ist, erzählt Stephan Nickell, der Betriebskoordinator der Rübelandbahn. Und von den 45 Exemplaren, die vor rund 100 Jahren gebaut wurden, ist die Blankenburger Lok als einzige noch in Benutzung.

Einzigartig:

Das Streckenprofil zeigt die Besonderheit der Rübelandbahn, die mit ihren Steilstrecken viele Höhenmeter auf kurzer Strecke überwinden muss.

Ganz besondere Einsenbahn-Nostalgie

Die Fahrt der Königin nach Rübeland dauert knapp eine Dreiviertelstunde. Die Lok schnauft zunächst rund vier Kilometer rückwärts in engen Bögen die Berge empor bis zur Kehre am Bahnhof Michaelstein, wo sie umgesetzt und von vielen Fahrgästen fotografiert und gefilmt wird. Dann geht es weiter über steile Anstiege, Viadukte und durch Tunnel – und mit einmaligen Aussichten in die bezaubernde Harz-Landschaft. „Die Steilstrecke gehört nicht nur für Eisenbahn-Nostalgiker zu den ganz besonderen Ausflugszielen im Harz“, betont Bahn-Liebhaber Nickell.

Als Waggons für die nostalgischen Fahrten dienen je nach Verfügbarkeit zwei oder drei typische Personenwagen, die zu DDR-Zeiten bei der Deutschen Reichsbahn entstanden sind. Die Rübelandbahn nutzt einen sogenannten Halberstädter Mitteleinstiegswagen sowie zwei rekonstruierte vierachsige Personenwagen. Das Personal für die Ausflüge stellt ebenfalls die Traditionsgemeinschaft 5093708: Lokführer, Heizer, Zugführer, Schaffner und Zugbegleiter gehören dem Verein an.

Als der eigentliche Star gilt dennoch die Bergkönigin mit ihren fünf angetriebenen Achsen. 1923 war die Regelspur-Dampflok bei der Hannoversche Maschinenbau AG (HANOMAG) gebaut worden, in Blankenburg wurde sie bereits von 1950 bis 1969 stationiert. Vor einigen Jahren ging das Schmuckstück des DB-Museums in die Sanierung und kehrte 2010 nach Blankenburg zurück. 2018 hat sie mit Unterstützung der NASA GmbH erneut den „Lok-TÜV“ gemeistert und darf bis 2026 weiterfahren – mindestens, so hofft Nickell.

Sehenswerte an der Strecke: Blankenburg, koster Michalelstein und die Rübelandhöhlen

Herz und Seele der Rübelandbahn

Der 51-jährige gelernte Elektromonteur mit der runden Brille und dem grauen Scheitel ist so etwas wie das Mädchen für alles an der Strecke: Bahnhofsvorsteher, Gesicht und Stimme, Herz und Seele der Rübelandbahn. Im Sommer 2010, als die Bergkönigin von ihrer Restaurierung zurückkehrte, übernahm er den Posten als Betriebskoordinator. Seither kümmert er sich um alle Abläufe von der Organisation der Touren bis zur Öffentlichkeitsarbeit. Wenn das Telefon der Rübelandbahn klingelt, geht Nickell an den Apparat.

2010 hatten mehrere Eisenbahngesellschaften und Kommunen der Region die Arbeitsgemeinschaft Rübelandbahn gegründet und Nickell nach einem regulären Bewerbungsverfahren eingestellt. „Vor unserem Start gab es kaum nostalgische Fahrten auf der Strecke“, erzählt er. „Aber die Idee, aus der Rübelandbahn eine tolle Tourismusattraktion zu machen, hat mich sehr gereizt.“ Nickell beginnt noch 2010, einen Fahrplan zu schreiben und die ersten Touren zu planen. Seit 2011 fährt die Bergkönigin nun an jeweils einem Wochenende pro Monat, immer samstags und sonntags, in der Regel 24-mal im Jahr, und schreibt damit eine Erfolgsgeschichte: Schon bald steigen die Fahrgastzahlen von zunächst 40 bis 50 Gästen pro Fahrt auf bis zu 180. „Mit der Corona-Delle kamen zeitweise weniger Menschen, aber aktuell sind wir wieder bei mehr als 100 Fahrgästen pro Fahrt“, erzählt Nickell. „Tendenz weiter steigend.

Immer viel los

Eine Hin- und Rückfahrkarte kostet Erwachsene 20 Euro, Kinder zahlen nur die Hälfte. Kostendeckend ist das nicht, aber die Arbeitsgemeinschaft subventioniert den Betrieb. Um immer wieder neue Angebote zu schaffen, gibt es über das Jahr verteilt unterschiedliche Themen. Am 9. Dezember zum Beispiel fuhr die Bergkönigin als „Nikolaus-Express“, am 10. Dezember fand eine Theatertour mit Aufführung und Besuch in der Rübeländer Tropfsteinhöhle statt. An manchen Fahrtagen wartet am Bahnhof Rübeland auch ein Bus für einen Ausflug ins drei Kilometer entfernte Schausägewerk in Elbingerode – eine gute Gelegenheit, die alte Sägewerkstechnik der Vorfahren in Aktion zu erleben.

Stück für Stück

Nickell hat sich mittlerweile nicht nur ein Büro im Bahnhof eingerichtet – er hat Ende 2015 zusammen mit einem Freund den damals geschlossenen, sanierungsbedürftigen Bahnhof gekauft. Seither rekonstruieren sie das schöne Sandsteingebäude von 1873 und vermieten es Stück für Stück, unter anderem an ein Taxi-Unternehmen, die AWO und das private Bahnunternehmen Abellio, das hier die Regionalzüge nach Halberstadt und Magdeburg fahren lässt. Seit Frühjahr 2018 belebt zudem das „Ki-i-Ba“-Bistro im Erdgeschoss den Bahnhof weiter.

Nur ein paar Hundert Meter entfernt vom Bahnhofsgebäude liegen der Lokschuppen und der Heizplatz auf dem Gelände des ehemaligen Fahrzeug- und Entwicklungswerks der Reichsbahn. Hier hat auch die Traditionsgemeinschaft ihre Dampflok 503708-0 von 1941, die seit 2014 nicht mehr fährt. Ihre leuchtend orange Diesel-Rangierlok V10B von 1965 hilft

indessen bis heute dabei, die Bergkönigin auf dem Gelände zu manövrieren. Auch die alte ELok 251002-2, die eigens für die Strecke gebaut wurde, ist dort an Fahrtagen noch zu sehen. „Das Besondere war, dass die Strecke trotz 25 Kilo-Volt Spannung mit der klassischen Haushaltsstrom-Frequenz von 50 Hertz betrieben wurde“, erzählt Nickell, der sich ebenfalls in der Traditionsgemeinschaft engagiert.

Und auch am Bahnhof Rübeland steht noch eine bemerkenswerte alte Eisenbahn-Dame: die Güterzuglok „Mammut“, die letzte von ursprünglich vier „Tierklasseloks“. Bis 1968 hat sie ihren Dienst auf der Harzbahn verrichtet, nun kann sie vor dem Lokschuppen des Fördervereins Rübelandbahn besichtigt werden. Die Bergkönigin hat das „Mammut“ indes schon 55 Jahre überdauert – und schnauft und schnauft und schnauft.

Termine und Fahrzeiten für Sonderfahrten
arbeitsgemeinschaft-ruebelandbahn.de

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