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2021: Das zweite Coronajahr für die Harzer Schmalspurbahnen
Nach den coronabedingten Fahrgast- und Umsatzrückgängen im Jahr 2020 wirkte sich die Pandemie auch im vergangenen Jahr auf die Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) aus. Vor dem Hintergrund verstärkter Lockdown-Maßnahmen kam der Zugverkehr im ersten Halbjahr weitflächig zum Erliegen. Ein Großteil der Belegschaft befand sich dadurch in Kurzarbeit. Dennoch arbeitete die HSB kontinuierlich an Fahrzeug- und Infrastrukturprojekten weiter und blickt dank jüngst gelockerter Bedingungen für den Tourismus verhalten optimistisch auf das laufende Jahr.
Noch im Laufe des ersten Halbjahres ist die Eröffnung der neuen Dampflokwerkstatt in Wernigerode vorgesehen. Bereits im ersten Coronajahr musste die HSB betriebliche Einschränkungen sowie Fahrgast- sowie Umsatzrückgänge hinnehmen. Mithilfe der von Bund und Ländern ausgereichten Mittel des „Rettungsschirms“ für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) konnten die entstandenen Verluste jedoch weitgehend aufgefangen werden. Im zweiten Pandemiejahr war der Jahresumsatz der beliebten Dampfeisenbahn aufgrund des deutlich längeren Lockdowns und des damit größtenteils eingestellten Betriebes dann mit rund neun Millionen Euro sogar noch um rund zehn Prozent niedriger als im Vorjahr. Der von Bund und Ländern erneut aufgespannte „Rettungsschirm“ für den ÖPNV konnte die finanziellen Verluste des letzten Jahres jedoch ebenfalls weitgehend ausgleichen.
Durch die verstärkten Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ruhte der Zugverkehr vom 2. November 2020 bis zum 8. Juni 2021 an insgesamt 219 Tagen auf dem Großteil des 140,4 km umfassenden Streckennetzes. Lediglich zwischen Nordhausen und Ilfeld wurde ein annähernd konstantes Zugangebot aufrechterhalten, zwischen Wernigerode und Schierke pendelte ein Triebwagen im ausgedünnten „Notfahrplan“. Der Brockenverkehr als wichtigste Einnahmequelle des kommunalen Bahnunternehmens konnte erst am 9. Juni wieder aufgenommen werden, der vollständige Zugbetrieb auf dem Gesamtnetz folgte dann schrittweise bis Juli. Seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 war der höchste Berg des Harzes damit coronabedingt bislang an insgesamt 281 Tagen nicht per Zug erreichbar. Aus dem gleichen Grund ruhte der Zugverkehr auf der Selketalbahn sowie auf der Harzquerbahn zwischen Ilfeld und Drei Annen Hohne seit 2020 bislang an 256 Tagen.
Im Ergebnis sank im vergangenen Jahr das Fahrgastaufkommen auf rund eine dreiviertel Million Reisende. Im Vor-Coronajahr 2019 waren es noch ca. 1,2 Millionen. Mit der Brockenbahn reisten ca. 393.000 Fahrgäste, auf der Harzquerbahn im Bereich Nordhausen waren es 303.000 beförderte Personen, und mit den Zügen der Selketalbahn fuhren 31.000 Reisende. Durch Corona musste die HSB auch ihre Sonderverkehre erheblich reduzieren. In der Folge fuhren im vergangenen Jahr mit 13.000 Passagieren rund 38 % weniger Gäste in Sonder- und Charterzügen durch den Harz als noch im Vorjahr, wo bereits ein coronabedingter Rückgang um rund 50 % zu verzeichnen war. Betroffen von den Einschränkungen war erneut auch die neue Veranstaltung „Faust auf dem Brocken – Rocktheater nach Goethe“. Die ursprünglich für 2020 vorgesehene und mit Spannung erwartete Welturaufführung auf dem höchsten Berg des Harzes musste zwischenzeitlich mehrfach verschoben werden und wird nun voraussichtlich im kommenden Herbst stattfinden.
Unabhängig von den Einnahmeverlusten durch die Pandemie erforderten steigende Aufwendungen in allen Geschäftsbereichen auch in diesem Jahr eine Anpassung der Ticketpreise. So kosten Brockenfahrten seit dem 1. März dieses Jahres 34 Euro für die einfache Fahrt und 51 Euro für die Hin- und Rückfahrt. Zahlreiche Preise im HSB-Tarifgefüge bleiben allerdings stabil. Beibehalten werden ebenfalls die attraktiven Preisnachlässe für Familien und auch für Fahrgäste, die ihre Brocken-Tickets entweder online erwerben oder erst in den ruhigeren Nachmittagsstunden auf den Brocken fahren möchten.
Der reduzierte Zugbetrieb bedeutete im ersten Halbjahr 2021 auch Kurzarbeit für einen Großteil der Belegschaft. Betroffen waren hiervon insbesondere der Betriebs- und Verkaufsdienst, aber auch Mitarbeiter aus allen anderen Bereichen der HSB. Dennoch setzte das Unternehmen die Instandhaltung seines Fuhrparks ohne Unterbrechung fort. Insgesamt wurden in 2021 an acht Dampflokomotiven, zwei Triebwagen – darunter auch der historische „T1“ von 1933 - und drei Reisezugwagen in externen Werken sowie in der eigenen Fahrzeugwerkstatt in Wernigerode Untersuchungen und Bedarfsinstandsetzungen durchgeführt. An weiteren vier Dampflokomotiven, zwei Triebwagen sowie weiteren Reisezugwagen wurden die entsprechenden Arbeiten bereits begonnen. Bei einem dritten Triebwagen, dem 187 012, wird die in Hennigsdorf bei Berlin erfolgte Generalinstandsetzung in den kommenden Monaten abgeschlossen. Darüber hinaus steht jetzt durch den Einbau eines Heizkessels eine weitere Diesellokomotive als Notreserve für Personenzüge in der kalten Jahreszeit zur Verfügung. Durch die kontinuierliche Fortführung der Maßnahmen hat sich die angespannte Fahrzeugsituation, die in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres noch zu einzelnen Zugausfällen und Busersatzverkehren geführt hatte, für den kommenden Sommerfahrplan mittlerweile leicht entspannt. Allerdings wird die HSB auch hier noch nicht auf den zeitweisen Einsatz einer Diesellokomotive im Brockenverkehr verzichten können.
Auch im Bereich der Infrastruktur setzte das Unternehmen im vergangenen Jahr wichtige Projekte fort. So kam mit Blick auf die zukünftige Instandhaltung der beliebten Dampflokomotiven der Bau der neuen Dampflokwerkstatt in großen Schritten voran. Die Eröffnung und Inbetriebnahme des seit ihrer Gründung im Jahre 1991 größten Bauprojektes der HSB erfolgen noch in der ersten Hälfte dieses Jahres. Anschließend beginnen die Arbeiten für die touristischen Einrichtungen des Neubaus. So ist vorgesehen, die durch das Land Sachsen-Anhalt finanziell unterstützte Gestaltung des Außenbereichs als Lern- und Erlebnisgelände bis zum Herbst dieses Jahres abzuschießen, die Gestaltung des Innenbereichs und damit die Öffnung für den Besucherverkehr folgt bis zum Jahresende.
In 2021 erneuerte die HSB zudem ihre Gleise auf einer Länge von 1.950 Metern und führte auf insgesamt 5.300 Metern Gleisstopfarbeiten durch. Ebenfalls sanierte das Unternehmen mehrere Durchlässe, drei Bahnübergänge, das Dach des Empfangsgebäudes im Bahnhof Steinerne Renne sowie diverse Sozialräume für die Mitarbeiter. Vor dem Abschluss steht die Sanierung eines in Wernigerode in direkter Nachbarschaft zur Verwaltung erworbenen Gebäudes, in dem zusätzlich benötigte Büroräume entstehen werden. Darüber hinaus führte die HSB im gesamten Jahresverlauf weitere umfangreiche Instandhaltungsarbeiten an ihren betrieblichen Anlagen durch. Auch wurden die Vorbereitungen für die geplante Errichtung von technischen Bahnübergangssicherungen im Stadtgebiet von Wernigerode vorangetrieben. Für dieses Jahr sind außerdem die Erneuerung des Bedienplatzes für das elektronische Stellwerk in Nordhausen, die Installation eines digitalen Funknetzes sowie Einbau neuer Gleise auf einer Länge von über 2.900 Metern vorgesehen. Geplant sind außerdem Sanierungsarbeiten am Empfangsgebäude des Bahnhofs Brocken sowie die Fortsetzung der Renovierungsmaßnahmen am Empfangsgebäude des Bahnhofs Steinerne Renne.
Ungeachtet der Pandemie und der unumgänglichen Kurzarbeit lief im vergangenen Jahr ebenfalls der Generationswechsel bei der HSB und ihren über 270 Mitarbeitern weiter auf Hochtouren. Er wird auch im laufenden Jahr mit zahlreichen geplanten Neueinstellungen fortgesetzt. Dabei sucht das Unternehmen weiterhin insbesondere Fachkräfte für den Fahrbetrieb sowie ingenieurtechnischen und kaufmännischen Nachwuchs. Während im vergangenen Jahr drei Auszubildende ihre Lehre erfolgreich abgeschlossen haben, kommen im laufenden Jahr wieder insgesamt sechs Berufsstarter in den Ausbildungsberufen Industriemechaniker, Kaufmann/-frau für Büromanagement und Kaufmann/-frau für Verkehrsservice hinzu. Aktuell bildet das Unternehmen sechzehn Lehrlinge aus. Seit 1997 haben bereits 75 junge Menschen ihre Ausbildung bei der HSB erfolgreich abgeschlossen. Trotz der durch Corona erheblich erschwerten Rahmenbedingungen konnten darüber hinaus auch alle wichtigen internen Aus- und Weiterbildungen durchgeführt werden. Neu ist die zum Jahresende 2021 mit vier zusätzlichen Mitarbeitern zur Optimierung der innerbetrieblichen Kommunikations- und Abwicklungsprozesse eingerichtete Servicestelle. Über die digitalen Informationskanäle des Unternehmens können hierdurch beispielsweise Fahrgäste jetzt noch schneller und genauer über störungsbedingte Fahrplanabweichungen informiert werden.
Die bewährte „Solidargemeinschaft“ der Bundesländer Sachsen-Anhalt und Thüringen, die auf Grundlage der seit 2021 gültigen Verkehrsverträge Aufgabenträger für den Betrieb auf den HSB-Strecken sind, sowie der neun kommunalen Gesellschafter bildet auch zukünftig die Grundlage für die vielfältigen Aktivitäten des Unternehmens in den Bereichen Eisenbahn und Tourismus. Angesichts der von Bund und Ländern bereits umgesetzten Lockerungen bei den bisherigen pandemiebedingten Einschränkungen und der allgemeinen politischen Weltlage blickt die HSB als touristische und verkehrliche Klammer des Harzes verhalten optimistisch auf die bevorstehende Sommersaison. Beibehalten werden dabei neben einer großen Produktvielfalt für Besucher und Einheimische auch die begrenzten Kontingente für Brockenfahrten, um gemäß der auch weiterhin gültigen Hygienevorschriften Überfüllungen der Züge zu vermeiden.