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130 Jahre Naumburger Straßenbahn – und wie geht es weiter?

130 Jahre Naumburger Straßenbahn – und wie geht es weiter?

Am 29. September 2022 lud die Naumburger Straßenbahn GmbH zu einem Pressegespräch, um über ihre Erwartungen an die Zukunft der Straßenbahn im Naumburger Stadtverkehr zu berichten.

Das Straßenbahn-Jubiläum war ein gelungenes Fest mit 4.500 Gästen

Anlässlich des Jubiläums "130 Jahre Naumburger Straßenbahn" gab es nach dem Festakt in der Turbinenhalle des ehemaligen Elektrizitätswerks ein dreitägiges Volksfest sowohl vor dem Straßenbahn-Depot als auch auf dem Bahnhofsvorplatz. Über 30 Partner beteiligten sich aktiv und zahlreiche Spender sorgten dafür, dass die entstehenden Kosten gedeckt wurden.

Erfahrungen mit dem 9 Euro-Ticket zwiespältig

In den drei Monaten von Juni bis August 2022 hat die Straßenbahn rund 100.000 Fahrgäste befördert. Das ist das Dreifache von 2021 und das Doppelte von 2019 vor der Corona-Pandemie. Es wurden 4.700 9 Euro-Tickets verkauft. An allen Wochentagen kam die Straßenbahn ab und zu an ihre Leistungsgrenze. Einerseits zeigte die Aktion, welche Bedeutung eine attraktive Anbindung des Hauptbahnhofs an die Innenstadt für die Nutzung der Zuganbindung von Naumburg haben könnte. Andererseits erweist sich eine pauschale Abgeltung des 9 Euro-Tickets weder als Honorierung der zusätzlich erbrachten Leistungen und der damit verbundenen höheren Kosten noch als Kompensation der seit 2019 eingetretenen allgemeinen Kostensteigerung. Inzwischen hat sich die Nachfrage auf ein höheres Niveau als vor der Pandemie eingespielt. Der gute Ruf der Naumburger Straßenbahn hat sich durch das 9 €-Ticket weiter herumgesprochen.

Wie ist die Sicht auf den Naumburger Stadtverkehr der Zukunft?

Klassischer Linienverkehr wird sich künftig auf wenige schnelle Relationen, die in einem dichten Takt gefahren werden können, konzentrieren. Gerade in kleineren Städten wie Naumburg werden der Anteil der Fußwege und die Verbreitung von eBikes wachsen. Wartezeiten auf einen Bus, die wesentlich länger sind als die erforderliche Zeit zu Fuß oder per Rad werden die Attraktivität des ÖPNV in der Fläche weiter senken.

On Demand-Verkehre, die zeitnah auf Abruf zur Verfügung stehen, werden sich als wirtschaftliche Lösung etablieren. Deutlich erkennbar sind die ÖPNV- Hauptachsen zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt, zwischen dem Stadtzentrum und dem Ortsteil Flemmingen und zwischen Naumburg und Bad Kösen. Die Vernetzung zwischen Bus und Straßenbahn auf kurzem Weg, mit Anschluss-Garantie, gemeinsamer Tarifzone von Naumburg und Bad Kösen und gleichem Tarif bei Bus und Straßenbahn, ist eine überfällige Veränderung, die dem Stadtverkehr einen deutlichen Schub versetzen könnte.

Wenn alle 6 Minuten ein Zug am Hauptbahnhof hält, aber im Grund nur alle 30 Minuten eine akzeptable Verbindung durch die Straßenbahn zur Innenstadt verfügbar ist, dann kann dies nur bedeuten, den bisherigen Erfolg der Straßenbahn für eine Verdichtung auf 15 Minuten zu nutzen. Der erwartete S-Bahn-Anschluss von Naumburg würde dann die erforderliche Konsequenz im Stadtverkehr finden. Der werktags ausgelastete P+R-Parkplatz am Hauptbahnhof zeigt, dass die hervorragende Zuganbindung Kunden anzieht, ein vernünftiger ÖPNV-Anschluss könnte aber so manche Pkw-Fahrt erübrigen und das Interesse für eine Ansiedlung in Naumburg steigern.

Denn es gibt noch eine weitere Herausforderung: Bisher kommen nur 3,5% der Besucher des Naumburger Domes mit dem Zug. In den kommenden Jahren wird die Besucherzahl schätzungsweise um 20 % steigen. Wohin mit den Pkw in einer historischen Innenstadt? Das Profil der Besucher passt hervorragend zum ÖPNV: 75 % der Touristen sind Individualreisende, die häufig Wert auf nachhaltige Mobilität legen und in einer Wein- und Genussregion die Bequemlichkeit eines öffentlichen Nahverkehrs zu schätzen wissen.

Das Klimaschutzprogramm der Stadt Naumburg bietet die Perspektive, dass die Naumburger Straßenbahn GmbH die Mobilitätsschnittstelle zwischen ÖPNV, Car- und BikeSharing und Parken übernehmen könnte. Dies passt ausdrücklich zur Unternehmensstrategie.

Die neuen Bebauungsvorhaben im Osten Naumburgs könnten ein guter Anlass sein, das Nahverkehrskonzept der Stadt neu zu strukturieren. Die Naumburger Straßenbahn GmbH wird sich gern an der konzeptionellen Arbeit beteiligen.

Ist der Traum vom Ringschluss der Straßenbahn ausgeträumt?

Nein. Anerkannte Stadt- und Verkehrsplaner haben die Sinnfälligkeit eines Ringschlusses der Straßenbahn einerseits über den Lindenring in der Innenstadt und andererseits über den Markgrafenweg in der Bahnhofsvorstadt immer wieder bestätigt. Diese Argumente lassen sich nicht widerlegen. Deshalb ist die Naumburger Straßenbahn GmbH zuversichtlich, dass sich neue Ansätze für eine Diskussion ergeben werden. Vielleicht sind sie dann noch mutiger in der Erschließung des Stadtzentrums. Die etablierten Förderprogramme wollen nicht nur den Bau der reinen ÖPNV-Infrastruktur unterstützen, sondern auch eine Aufwertung des öffentlichen Raumes: Ein Straßenzug mit Straßenbahn muss für alle attraktiver sein als ohne. Dafür gibt es in Naumburg wie überall genügend Ansätze. Besonders wertvoll könnte der Beitrag eines Ringschlusses in der Innenstadt für ein modernes Parkleitmanagement werden: Statt groß dimensionierter Parkplätze oder Parkhäuser könnten die Ressourcen im Umfeld der Straßenbahn genutzt werden. Das Parkticket wäre in einem definierten Umfang auch die Fahrkarte für die Straßenbahn.

Die Herausforderungen für die NSB sind derzeit gewaltig!

Bislang erhielt die Naumburger Straßenbahn GmbH keine Mitfinanzierung über den Nahverkehrsplan des Burgenlandkreises. Die Mittel aus den freiwilligen Leistungen der Stadt Naumburg sowie aus den Beihilfen des Landes Sachsen-Anhalt konnten allein die Finanzierungslücken nicht schließen. Dafür mussten Erträge aus Sonderfahrten sowie private Spenden in Anspruch genommen werden. Burgenlandkreis, Stadt Naumburg und Naumburger Straßenbahn GmbH bemühen sich aktuell, das Verfahren für einen Öffentlichen Dienstleistungsauftrag einzuleiten. Die Stadt Naumburg beabsichtigt, einen Fördermittel-antrag zur Innensanierung des im Besitz der Stadt befindlichen historischen Straßenbahn-Depots und zum Ausbau der vorhandenen Strecke zu stellen. Neben einer stabilen Finanzierung des Straßenbahnbetriebes geht es auch darum, die Löhne der Beschäftigten an das Tarifniveau in Sachsen-Anhalt heranzuführen, bessere Arbeitsbedingungen und die Voraussetzungen für einen wirklich modernen Stadtverkehr Straßenbahn mit historischen Fahrzeugen zu schaffen.

Von besonderer Bedeutung ist eine öffentliche Akzeptanz dieser angestrebten Entwicklung. Der Wert einer Weiterentwicklung des ÖPNV als wichtiger Standortfaktor für die jüngeren Generationen gerade im ländlichen Raum hat noch nicht die erforderliche Breitenwirkung erlangt. Unkonventionelle Pilotprojekte für zusätzliche Finanzbeiträge, zum Beispiel aus Gästekarten, die Nutzung des Engagements vieler Ehrenamtlicher sollen den Charakter einer Straßenbahn, die aus bürgerschaftlichem Engagement vor der endgültigen Stilllegung gerettet wurde, erhalten.

Viele helfen mit!

In den letzten 30 Jahren haben viele Partner aus nah und fern zum heutigen Stand der Naumburger Straßenbahn beigetragen: Verkehrsunternehmen, Firmen, Fachleute aus allen Sparten, Sponsoren. Sie bilden inzwischen ein Netzwerk, das die GmbH auch für die bevorstehenden Herausforderungen unterstützt. Ihnen sei ausdrücklich gedankt. Dieses besondere Fachwissen wird auch dem Burgenlandkreis und der Stadt Naumburg angeboten, damit sich der Beitrag dieser ganz besonderen Straßenbahn für einen erfolgreichen ÖPNV und für diese liebenswerte Region voll entfalten kann.